Karsten Gebhardt

Lores Terminator

Vor dem Fernseher entgleisten ihre Gesichtszüge plötzlich, sie starrte mich erschrocken an: 

„Hast du“, keuchte meine Frau kurzatmig, „hast du das auch gehört, Erwin?“ Ich schrak hoch, horchte mit offenem Mund, doch da war nichts. 

Sie übertreibt wieder, dachte ich genervt und hasste sie für die Unterbrechung. Besonders in Actionszenen kollabierte sie regelmäßig, erdachte sich Ängste, die gar nicht existierten, nur um Aufmerksamkeit zu erhaschen. 

„Nein, Lore, bitte lass mich den Film sehen.“ 

Eine Weile noch rollten nur ihre Augen, doch dann entspannte sie sich, griff beherzt in die Chipstüte auf dem Tisch, stopfte sich den Mund voll und malmte geräuschvoll mit ihren wuchtigen Kiefern. Ich gluckerte was aus der Bierflasche hinunter, bevor ich wieder in meiner geliebten Couchposition erschlaffte: Beine gestreckt und die Arme angewinkelt unter dem Kopf. 

„Ich komme wieder!“, drohte Schwarzenegger in seiner Rolle als Terminator gerade, als sie neuerlich erstarrte und sogar den Ton stumm schaltete: 

„Da ist was, Erwin, ich habe es genau gehört.“ Sofort hyperventilierte sie und fächelte sich mit der Hand Luft zu. 

Ich zuckte nicht mal, schließlich kannte ich ihre Phobien. Außerdem knallte der Terminator gerade mit einem Truck durch die Scheibe einer Polizeistation. 

„Das kommt vom Film“, beruhigte ich sie mit meiner nasalen Stimme, „ und außerdem ...“ 

„Du und deine Actionfilme“, unterbrach sie hysterisch, „immer nur päng päng und balla balla. Da können Einbrecher den ganzen Keller ausräumen und du würdest nichts merken. Stell dir nur mal vor, ich wäre da unten im Waschraum, mitten beim Bügeln ...“, ihr Blick bekam Glanz, driftete ab, ebenso ihre Stimme, „... und da kommen so muskelbepackte Kerle, packen mich wehrlose Frau, reißen mir die Sachen vom Leib, um schmutzige Dinge mit mir zu machen. Wilde Barbaren ...“ 

„Lore, bitte“, appellierte ich an ihre Vernunft. 

„...Barbaren, die mich einfach nehmen, schwitzend. Einer hält mich fest und der andere ...“ 

„Lore“, unterbrach ich amüsiert, „komm´ wieder zu Vernunft!“ 

Keuchend erinnerte sie sich an meine Gegenwart und starrte mich an, als wäre ich ein schlechtes Dejavús. Beinahe hätte ich aufgelacht bei der Vorstellung, Einbrecher könnten meine lockengewickelte Kittelschürzen-Lore für Triebspiele benutzen wollen, aber instinktiv wandelte ich das krampfhafte Zucken meiner Schultern in gekünstelten Husten um. 

„Aber ich habe doch was gehört“, meinte Lore verwirrt. 

„Da ist nichts“, reagierte ich genervt, „du hast dich einfach nur verhört.“ Wütend starrte sie mich an: „Mach´ ja nicht wieder dieses gelangweilte Gesicht, du weißt doch ... oh Gott ..., genau das meine ich. Kuckst mich an, als ob ich blöde bin.“ 

„Aber Lore, beruhige dich. Du bist nicht blöde. Du bist doch ..., Du bist ..., bist ...“ 

„Na, was bin ich“, fragte sie und starrte mich lauernd an. 

Ich fühlte mich in die Enge gedrängt, mein Puls wurde schneller. Fieberhaft dachte ich nach, kombinierte mögliche Antworten und versuchte in der Zwischenzeit einen Blick voller Liebe. Mein Engel, könnte ich sagen, aber das war sie mal vor zwanzig Jahren, schlank und elfenhaft. Unbrauchbares Vokabular. „Mein Schneeflöckchen“, hatte ich ihr mal vor Urzeiten ins Ohr geflüstert, doch es jetzt zu verwenden, könnte fatal sein, wo sie doch mehr einer Lawine glich und ausreichend emanzipiert war, ihr Spiegelbild zu begreifen. Unauffällig schielte ich zum Fernseher, wo Arnold gerade treffsicher terminierte. „ ... meine Frau“, schlug ich vor und hielt den Atem an. Sie bewegte unruhig ihren Kopf wie beim Schlangentanz, schleiereulengleich, bevor sie zufrieden dreinblickte. Offensichtlich hatte ich die Kurve gekriegt. „Na ja, kuck´ halt deinen Actionfilm. Ich geh´ mal in den Keller, nachschauen.“ „Du bist ein Schatz“, rief ich ihr glücklich hinterher und schaltete den Ton wieder ein. 

 Eine Stunde später war alles terminiert, sogar Arnold selbst, im Showdown unter Tonnen von Stahl zerquetscht. Ich gähnte müde, wünschte mich nur noch ins Bett mit meiner schnarchenden Lore. Überhaupt, wo blieb sie eigentlich? Beklommen richtete ich mich auf, schaltete den Fernseher aus und horchte. 

„Lore?“ 

Keine Antwort. Das Kühlschrankaggregat sprang an. 

War das ein Schuss? 

Geräuschvoll schluckte ich, traumatisiert von Arni, dem Killerroboter. Meine Sinne waren geschärft, adrenalingeflutet und aufgeputscht. 

„Looore!“, schrie ich mit überschnappender Stimme, so laut ich konnte. Totenstille. 

Spontan spürte ich Gänseschauer, gepackt von Lores Ängsten, die ich plötzlich zu glauben bereit war. Womöglich hatte sie tatsächlich Einbrecher überrascht, lag vielleicht irgendwo auf dem Boden. Blutüberströmt. Oder sie waren noch dabei, sie zu v ..., vö ..., verführen. Ich erstarrte, wurde kreidebleich. Mit einem Fleischklopfer bewaffnet zitterte ich mich über die Treppe in den Keller hinunter, tauchte ein in die Rabenschwärze unseres Souterrains, und traute mich nicht, das Licht einzuschalten. Die Verbrecher könnten ja noch da sein und mich erwarten, bereit für einen finalen Schuss. ‚Dein Leben geht vor’ empfahl mein Verstand. 

‚Man lebt nur einmal’, schrie der Mut, ‚sie ist Deine Frau, sei wie der Terminator!’ 

Dessen verlöschenden Glutblick hatte ich nicht vergessen. Blind tapste ich an der Wand entlang, ertastete den Türdrücker zur Garage und öffnete. Licht drang durch den Spalt, an die Wand gelehnt hielt ich inne, hörte seltsame Töne: 

„Pfff ..., aahhh ..., pfff ... „ 

Oh Gott, sie folterten, mutmaßte ich, lugte vorsichtig um die Ecke und erschrak: Lore stand im gleißenden Neonlicht, mitten in der Garage und bei geöffnetem Tor, bügelte auf dem aufgebauten Brett und pendelte den Armschwung mit ihrem Gesäß kokett aus. 

Mir dämmerte es: Sie wollte offensichtlich überrascht werden, das Luder erhoffte sich ein Tete a tete mit dunklen Gestalten. 

Na warte, dachte ich rasend vor Wut, du sollst deinen Einbrecher bekommen. ‚Nur nicht die Nerven verlieren’, mahnte mein Verstand. 

‚Ja, mach´ sie fertig, die Schlampe’, putschte der Mut. 

Trotz meines Gehirnsabbers gelang mir ein behutsamer Türverschluss, ich schlich hoch in die Garderobe, kramte meine Pudelmütze aus dem Wandschrank und zog sie über. Den Weg um das Haus zur Garage fand ich auch im Dunkel der Nacht. Im Schatten des Tores schlich ich näher heran, hangelte nach dem Lichtschalter und schaltete aus. 

„Huch, ein Einbrecher“, piepste Lore erschrocken, bemüht, mich, ihren Mann, den sie oben bei Terminator wähnte, nicht zu alarmieren. 

Sofort war ich bei ihr, packte sie und drückte ihren Leib gegen die Wand: „Keinen Mucks“, hechelte ich mit verstellter Stimme, wütend und erregt zugleich. 

Bereitwillig streifte sie ihr Kleid hoch... 


 Später lag ich im Bett, erschöpft, und wartete auf Lore. Als ich sie hörte, mimte ich den Schlafenden, was mir schwerfiel, so erregt wie ich noch war. Erst als sich ihre Matratze spürbar senkte, gähnte ich geräuschvoll: 

„Da bist du ja endlich“, murmelte ich, „und, hast du Einbrecher gesehen?“ „Och Mann, du hast recht gehabt. Einbrecher in unserem Haus, so ein Quatsch.“ 

„Na komm“, animierte ich lüstern, „irgend etwas muss ja gewesen sein, so lange, wie du weg warst.“ 

„Jetzt fantasierst du aber“, lallte sie zufrieden, „na gut, ich spinne mit: Ich habe gebügelt, dann kam da so ein Einbrecher, sehen konnte ich ihn nicht, hat das Licht sofort ausgeschaltet. Mann, der war gut. Hat mich einfach genommen. Ein geiler Sex, sage ich dir ...“ 

Ich grinste anzüglich und spürte erneute Manneskraft... 

„ ... dann kam später noch einer, trug eine alberne Pudelmütze. War auch nett, konnte aber mit seinem Vorgänger nicht mithalten.“